Donnerstag, 3. Mai 2012

Schaffung eines einheitlichen Krankenversicherungsmarktes – Kritik des Gutachtens der Techniker Krankenkasse von April 2012

Ein Gutachten zur privatrechtlichen Organisation der gesetzlichen Krankenkassen plädiert für eine Öffnung der gesetzlichen Krankenkassen für Zusatzversicherungen und schafft damit eine Wettbewerbsverzerrung ohne echte Vorteile für die medizinische Versorgung oder den effizienten Umgang mit Ressourcen im Gesundheitswesen.

Das im Auftrag der Techniker Krankenkasse von Profes. Wille, Graf von der Schulenburg und Thüsing erstellte Gutachten sollte Reformperspektiven für Deutschland auf Basis der Erfahrungen aus den Niederlanden untersuchen. Wenn man den Vorstandsvorsitzenden der Techniker Krankenkasse, Prof. Klusen, als Mann der „freien Wirtschaft“ kennt, dann weiß man dass er schon seit langem für seine Körperschaft des öffentlichen Rechts privatwirtschaftlich agieren möchte – insbesondere auch mit privaten Zusatzversicherungen aus eigenem Hause. Aktuell bedient man sich der ENVIVAS als Partner aus der privaten Versicherungswirtschaft, einer Tochtergesellschaft der CENTRAL Krankenversicherung. Die ENVIVAS ist dafür gegründet worden, ausschließlich für die Versicherten der Techniker Krankenkasse Zusatzangebote des privaten Krankenversicherungsmarkts anzubieten. Es ist kein Geheimnis, dass Prof. Klusen lieber eigene innovative Kombinationsversicherungen anbieten würde. Das Instrument der Wahltarife geht ihm nicht weit genug bzw. ein komplizierter Wahltarif zur Versicherung auf dem Niveau von Privatpatienten ist gescheitert, weil sich der Tarif nicht gerechnet hat.1

So ist dieses Gutachten also zielgerichtet zum Nutzen der Techniker Krankenkasse geschrieben und das wird auch aus dem Wortlaut deutlich. Auch wenn man sich für die Öffnung der Privaten für Krankenvollversicherungen nach dem Sozialgesetzbuch ausspricht, so wird doch deutlich, dass die im Gutachten niedergelegte Deregulierung einseitig die gesetzliche Krankenversicherung stärken und die privaten Krankenversicherung schwächen würde. Außerdem gibt es bereits heute den gesetzlich vorgeschriebenen Basistarif in der PKV, der mit großen Schwierigkeiten einhergeht.2

Die Gutachter schließen eine grundlegende Reform des Krankenversicherungssystem aus, da „der unterschiedlich geregelte Altersausgleich mit der umlagefinanzierten GKV und der kapitalgedeckten PKV ein zentrales Hindernis für die Schaffung eines einheitlichen Krankenversicherungsmarktes“ darstelle. Dazu müsse man „die Abschaffung … der PKV als Vollversicherung“ verfolgen, wogegen „die Vernichtung des … Kapitalstocks“ spreche. Die Option, einen Bestandsschutz für die PKV Vollversicherung auszusprechen, wird nicht erwähnt und so bleibt diese Entwicklungsrichtung offen. Die Autoren weichen einem Konflikt mit der PKV aus.

Die „Öffnung der beiden strikt separierten Teilmärkte verspricht … eine erhebliche Intensivierung des Wettbewerbs sowohl im öffentlichen System als auch … im privaten (Teil-)Markt“ loben die Autoren in ihrem Gutachten aus. Mehr Wettbewerb unter den Versicherungssystemen hilft nicht die Probleme im Gesundheitswesen zu lösen3. Im Gegenteil, diese Lösung schafft wechselseitig ungleiche Wettbewerbsvoraussetzungen.

Vielmehr würde mit der Marktmacht der GKV-Unternehmen nicht nur die private Vollversicherung angegriffen, sondern auch der Zusatzversicherungsmarkt. Letztlich führt dies zur Marginalisierung der PKV – die dann mit ihrem alternden Bestand zurückbleiben.

Die GKV wird zur Hybrid-Versicherung mit sozialversicherungsrechtlicher Basisabsicherung und kapitalgedeckten Zusatzversicherungen. Aber unter welchen Voraussetzungen? Zwar „stünden den Krankenkassen die Kapital-, Rückversicherungs- sowie Risikomärkte offen“ aber es ist dafür heute kein Know-How bei den Körperschaften vorhanden – die Verwaltungskosten steigen. Außerdem: Will man tatsächlich den GKVen wieder zugestehen Schulden zu machen, nachdem mit großer Mühe vor Einführung des Gesundheitsfonds 2009 eine weitgehende Entschuldung der GKV erreicht worden war?

Da das Gutachten „die Versicherungspflichtgrenze und … zwei separate Krankenversicherungssysteme … nicht infrage“ stellt und „nicht den Anspruch, ein .. optimales Krankenversicherungssystem zu entwerfen“ verfolgt, bleibt dieses Gutachten die Speerspitze eines durchschaubaren Versuchs die private Krankenversicherung einseitig zu schwächen.

Das kann nicht die Lösung der Finanzierung im Gesundheitswesen sein. Man muss sich vielmehr den Realitäten stellen und über nachhaltige Modelle sprechen. Die actmedic GmbH plädiert für eine konsequente Trennung der Segmente in eine gesetzliche Absicherung der Grundrisiken mit rein privater Zusatzversicherung4.

Eine Zusammenfassung des Gutachtens ist auf den Seiten der Techniker Krankenkasse zu ersehen.

1 Ärztezeitung 13.08.2012 „TK beendet Wahltarif für privatärztliche Leistungen
2 Ärztezeitung 27.10.2010 „Privatversicherer setzen auf Tarif für Pleitiers“ sowie 29.07.2012 „Bye-bye Billigtarif: Zweiter PKV-Anbieter steigt aus
3 Lindenlaub, Frank 02.02.2012 „Fakten im Gesundheitswesen – Die medizinische Versorgung ist längst rationiert
4 Lindenlaub, Frank 12.03.2012 „Fakten im Gesundheitswesen – Lösungsansätze


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