Freitag, 2. März 2012

Artikelserie „Fakten im Gesundheitswesen“ Teil 3

Akzeptieren Sie drei Fakten im Gesundheitswesen. Leben Sie mit der Realität und richten Sie Ihr Handeln danach aus:

Erstens:
Die medizinische Versorgung ist rationiert und der Umgang mit knappen Mitteln längst Realität für Patienten, wie Heilberufe.

Zweitens:
Die Finanzierung im Gesundheitswesen ist bereits dual und für eine umfassende Gesundheitsleistung sind die Bürgerinnen und Bürger bereit über die gesetzliche Versicherung hinaus Eigenleistungen zu erbringen.

Drittens:
Von der Politik ist keine Unterstützung zu erwarten und Sie sollten Ihre unternehmerische Strategie unabhängig davon machen.


In einer Artikelserie führen wir diese drei Fakten aus und geben im letzten Teil der Artikelserie Empfehlungen für das unternehmerische Handeln verschiedener Akteure im Gesundheitswesen ab.


Bilden Sie sich Ihre Meinung und diskutieren Sie mit!


Heute lesen Sie:

3. Von der Politik ist keine Unterstützung zu erwarten
Einschränkungen im Leistungskatalog der Krankenversicherung sind unpopulär und werden daher von keiner Partei eingeführt. Doch genau das scheint unausweichlich, um die gesetzliche Gesundheitsversorgung nachhaltig aufrecht zu erhalten.

Die Haltung der Politik
Die Politik braucht Mehrheiten. Jede politische Absicht muss mehrheitsfähig sein. Bei der demographischen Entwicklung (immer älter werdende Menschen) sowie der gesellschaftlichen Realität (hohe Anzahl an Empfängern von Transferleistungen1) sind Einschränkungen der Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vermittelbar. Das bedeutet, dass der gesetzlich geregelte Leistungskatalog nicht beeinflusst wird. Also die Leistungsarten, die von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden, bleiben unangetastet. Genau das wäre jedoch notwendig, wie Teil 2 der Artikelserie zeigt.

Also können noch die Ausgabenhöhe beeinflusst werden (kaufmännisch: Einkaufsoptimierung) und die Einnahmen erhöht werden (kaufmännisch: Umsatzsteigerung). Der Effekt ist mehr Finanzvolumen der gesetzlichen Krankenversicherung (kaufmännisch: mehr Gewinn).

Einnahmen-Ausgaben-Schere
Prof. Dr. Günter Neubauer des Münchener Instituts für Gesundheitsökonomik spricht von einer „Einnahmen-Ausgaben-Schere“, wonach der Versorgungsbedarf der Bevölkerung überproportional gegenüber den zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen steigt 2.

Die Gesundheitspolitik in Deutschland und die von ihr initiierten Reformgesetze lassen sich alle auf diese sich ständig öffnende Einnahmen-Ausgaben-Schere zurückführen. Seit mehr als 30 Jahren lässt sich beobachten, dass die Ausgaben doppelt so schnell wachsen wie die Einnahmen. Die jeweiligen Gesundheitsminister reagieren dabei unabhängig von politischen Lagern und Ideologien systematisch durch Kostendämpfungsmaßnahmen und Steigerung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. Teil 2 der Artikelserie). So stieg der Beitragssatz in der GKV von etwa 8% in 1970 auf heute 15,5%. Rechnet man Steuermittel und Zusatzbeiträge ein, so kommt man auf einen tatsächlichen Beitragssatz von etwa 17%. Auch das GKV-Finanzierungsgesetz von 2010/2011 folgt dieser Logik. Zum einen wurde der Beitragssatz angehoben sowie zusätzliche Steuermittel bereitgestellt und eine Ausgabendämpfung (Arzneimittel) beschlossen3.

Zyklus der Kostendämpfungsmaßnahmen
Ausgabendämpfungen – also die Optimierung des Einkaufs an Gesundheitsleistungen – ist letztlich auch eine Form der Rationierung (vgl. Teil 1 der Artikelserie). Die 2011 eingeführte gesetzlich verordnete Preisschranke bei Arzneimitteln traf einen Sektor der dies verkraften kann4,5. Aber wie würde sich eine Einschnürung der Budgets der niedergelassenen Ärzte oder der Krankenhäuser auswirken (vgl. Teil 1 der Artikelserie)?

Die unten stehende Abbildung zeigt schematisch den Verlauf der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung und die Wirkung von Gesetzesmaßnahmen der jeweiligen Regierung. Jede Reform blieb letztlich eine Kostendämpfungsmaßnahme.















Abbildung: „Nach der Reform ist vor der Reform“ 6.

Keine Regierung und kein Lager wird mittelfristig aus den genannten Gründen an dieser Systematik etwas ändern. Sowohl SPD (Bürgerversicherung) 7 als auch CDU (Solidarisches Gesundheitsprämienmodell) 8 werden die Finanzierungsfrage nicht lösen können. Außer mit einer Ausweitung der Lebensarbeitszeit – de facto auch eine Beitragserhöhung – bleibt die Politik für eine wirkliche Reform der gesetzlichen Sozialsysteme die Antworten schuldig.

Lesen Sie im nächsten Artikel (Lösungsansätze):
Drei Konzepte für Handeln im Gesundheitswesen!


1 Transferleistungen sind Staatsleistungen an private Haushalte, die vor allem verteilungspolitisch motiviert sind. Dazu zählen insbesondere die Sozialleistungen wie Zuschüsse zur Sozialversicherung, Pensionen, Kindergeld, Sozialhilfe und Wohngeld (Transfers i.e.S.). Der Begriff wird vor allem auf staatlich organisierte Geld- oder Sachleistungen angewandt, die eine Person erhält, ohne dafür eine direkte Gegenleistung erbringen zu müssen. Die ursprüngliche Idee der Transferleistung basiert auf Solidarität, wonach Bedürftige von wirtschaftlich Stärkeren unterstützt werden sollen. Leistungen aus Versicherungen sind keine Transferleistungen, da hier eine direkte Gegenleistung in Form von Einzahlungen erbracht wurde (aus: „Wörterbuch Wirtschaft & Handel“ und Wikipedia).

2 „Gesundheitspolitik: Nach der Reform ist vor der Reform…“, Univ.-Prof. Dr. Günter Neubauer, Juni 2011

3 ebd.

4 Das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung

5 „Pharma-Giganten kassieren in Deutschland ab“, Markus Grill, September 2010

6 „Gesundheitspolitik: Nach der Reform ist vor der Reform…“, Univ.-Prof. Dr. Günter Neubauer, Juni 2011

7 „Solidarisch, gerecht und leistungsfähig“, SPD

8 „Solidarisches Gesundheitsprämienmodell“, CDU

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